Kaum Insolvenzanträge im Güterverkehrssektor
Trotz Pandemie und Lockdowns fiel die Zahl der Unternehmenspleiten 2020 auf den niedrigsten Stand seit mehr als 20 Jahren. Auch zahlreiche Güterverkehrsunternehmen nutzen die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Von Dirk Mewis
Im vergangenen Jahr hatte es in Deutschland so wenige Insolvenzen gegeben, wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Und das, obwohl die Wirtschaft während der Wochen des ersten Lockdowns nur im Notbetrieb arbeitete, die Werke der Autoindustrie teilweise stillstanden und ganze Branchen (Messe, Luftfahrt, Tourismus, Kultur, Gastronomie) nicht wissen, wann sie wieder öffnen können. Dabei waren 2020 zwei Trends zu beobachten, wie die Daten der Wirtschaftsauskunftei Creditreform zeigen: Mehr Insolvenzen bei Konzernen, dafür deutlich weniger Insolvenzen bei kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Dieses Jahr setzt sich diese paradoxe Entwicklung fort: Trotz der tiefsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg im vergangenen Jahr sinkt die Zahl der Insolvenzanträge sukzessive weiter. So wurden im Februar dieses Jahres lediglich sieben Insolvenzanträge im Güterverkehrssektor gestellt, wie aus dem Insolvenz-Monitor des DVZ-Briefs hervorgeht. Damit liegt der Anteil an Insolvenzanträgen aus dem Sektor gegenüber allen Anträgen in Deutschland bei 2,5 Prozent. Zum Vergleich: Im Februar 2019 waren es 60 Anträge und acht Prozent, im vergangenen Jahr 51 Anträge und 7,8 Prozent.
Der Grund für den Rückgang liegt hauptsächlich in der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht. Von diesem Moratorium dürfen aktuell allerdings nur Unternehmen Gebrauch machen, die staatliche Hilfen bewilligt, aber noch nicht ausgezahlt bekommen haben. Das trifft nach Schätzungen von Creditreform jedoch lediglich auf insgesamt jedes fünfte Unternehmen zu – also 20 Prozent. Die Zahl der Insolvenzanträge im Güterverkehrssektor ging im Februar dennoch um mehr als 86 Prozent zurück im Vergleich zum Vorjahresmonat. Offensichtlich nutzen also zahlreiche Güterverkehrsunternehmen, die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht, obwohl sie kein Anrecht darauf haben. Auch das Risiko von Forderungsausfällen steigt erheblich, wenn zahlungsunfähige Unternehmen nicht aus dem Markt ausscheiden. Und führt zu Folgeinsolvenzen von eigentlich wirtschaftlich gesunden Anbietern.
Zahlungsmoral lässt nach
Die jüngste Untersuchung der Wirtschaftsauskunftei Creditreform zum Zahlungsverhalten lässt zudem vermuten, dass die Liquidität in der Transport- und Logistikbranche nachlässt. So stieg die Zahl der Verzugstage von 12,36 im Januar auf 13,73 im Februar.
Die Insolvenzentwicklung sei derzeit nicht von Marktmechanismen, sondern von der weiteren Entwicklung und dem Fortbestand von Unterstützungsmaßnahmen abhängig, erklärt der Deutschlandchef des Kreditversicherers Euler Hermes, Ron van het Hof. Sie habe sich vom tatsächlichen Zustand der Unternehmen abgekoppelt. „Das wird nicht ewig so weitergehen. Aber auch mit der sukzessiven Rückkehr in eine neue Normalität ist ein umgehender oder sprunghafter Anstieg dadurch erst einmal nicht in Sicht.“
Mit einer deutlichen Zunahme der Insolvenzen rechnet der Kreditversicherer deshalb erst im Laufe des Jahres 2022. Dann dürften die Pleiten um rund 15 Prozent zunehmen, prognostizierte Euler Hermes. Damit stehe Deutschland im internationalen Vergleich aber gut da. Denn es bedeute, dass die Zahl der Insolvenzen auch 2022 nur um etwa 4 Prozent höher liegen werde als im Vorkrisenjahr 2019. Die Zahl der Firmenpleiten werde dann auf dem Niveau des für die deutsche Wirtschaft wirklich nicht schlechten Jahres 2017 liegen.
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