Firmen nach dritter Coronawelle deutlich zuversichtlicher
Zu Jahresbeginn schrumpfte die Wirtschaft stärker als erwartet, doch nun blicken die Unternehmer so optimistisch in die Zukunft, wie seit zwei Jahren nicht mehr. Gleichzeitig dämpfen Lieferengpässe im internationalen Handel die Zuversicht. Von Dirk Mewis
„Die deutsche Wirtschaft nimmt Fahrt auf“, so beschreibt Ifo-Präsident Clemens Fuest die aktuelle Konjunkturumfrage seines Instituts. Die Ifo-Forscher haben in Deutschlands Unternehmen eine so gute Stimmung ermittelt wie seit zwei Jahren nicht mehr – auch dank der Fortschritte beim Impfen. Der Ifo-Geschäftsklimaindex kletterte nach 96,6 Zählern im Vormonat nun auf 99,2 Punkte, wie das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut mitteilte. Ökonomen hatten lediglich mit 98,2 Punkten gerechnet. Auch auf die kommenden Monate blicken die Firmen deutlich optimistischer – vor allem im Dienstleistungssektor und im Handel.
Im verarbeitenden Gewerbe dagegen stieg die Stimmung nur leicht, und auch am Bau hellte sich die Stimmung nur ein wenig auf. Das Problem der Materialknappheit habe sich nochmals verschärft, erläutert Fuest. Zurzeit kommt es bei vielen Rohstoffen und Vorprodukten zu Lieferengpässen – unter anderem wegen pandemiebedingten Problemen im internationalen Handel.
Im Dienstleistungssektor wurde bei der Ifo-Befragung der höchste Wert seit Februar 2020 erreicht. Die Erwartungen im Bereich Tourismus und Gastgewerbe seien im Mai geradezu explodiert, erläutert Ifo-Experte Klaus Wohlrabe, hier gebe es Hoffnung auf ein gutes Sommergeschäft. Auch im Handel konnte der Index deutlich zulegen: Die Händler waren zufriedener mit ihrer aktuellen Geschäftslage. Zudem kehrte laut Ifo ein „vorsichtiger Optimismus“ bei den Erwartungen zurück. „Während der Großhandel weiter von der guten Industriekonjunktur profitiert, hoffen die Einzelhändler auf weitere Lockerungen“, sagte Ifo-Präsident Fuest zu der Umfrage, für die das Institut insgesamt jeden Monat rund 9.000 Unternehmen befragt. Dabei werden sie gebeten, ihre gegenwärtige Geschäftslage zu beurteilen und ihre Erwartungen für die nächsten sechs Monate abzugeben.
Auch laut Bundesbank erholt sich die deutsche Wirtschaft nach dem jüngsten Coronaeinbruch derzeit rasch. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte demnach im zweiten Quartal wieder deutlich zulegen. Zu Jahresbeginn war das BIP wegen des coronabedingten Konsumeinbruchs jedoch deutlicher als zunächst angenommen geschrumpft – um 1,8 Prozent. Die dritte Coronawelle sei wohl gebrochen und die Stimmung in den Unternehmen steige im Einklang mit dem Impffortschritt, kommentierte KfW-Chefvolkswirtin Fritzi Köhler-Geib die Entwicklung.
Impulse aus China und den USA
Die Stimmungsaufhellung sei aber noch mit Vorsicht zu interpretieren, mahnt Chefökonom Alexander Krüger vom Bankhaus Lampe. Es bestünden weiterhin Lieferkettenprobleme, und mehr als vor der Krise bleibe die Wirtschaft vorerst auf Impulse aus China und den USA angewiesen. „Im Jahr 2020 war das Problem vor allem eine schwache Nachfrage, das hat sich jetzt gedreht. Die Nachfrage übersteigt etwa bei Halbleitern deutlich das Angebot“, stellt Gunther Kegel, Präsident des Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI), fest. 60 Prozent der ZVEI-Mitglieder befürworteten einer Umfrage zufolge daher einen Auf- und Ausbau von Mikroelektronik-Produktionsstätten zur Versorgungssicherheit in Europa. Schließlich bereiten der Branche aktuell Beschaffungsengpässe von Vorleistungen Probleme. Lieferschwierigkeiten gäbe es unter anderem bei Mikrochips, Kunststoffen, Stahl und Kupfer. „Wir rechnen damit, dass sich die Verknappung in der Elektronik in den nächsten Wochen eher noch verschärfen wird, und sich unsere Lieferketten im dritten oder vierten Quartal 2021 normalisieren werden.“
Neben den Engpässen machen sich nicht nur in der Elektronikindustrie knappe Transportkapazitäten bemerkbar, die zu höheren Kosten führte. Trotz der herausfordernden Bedingungen blicken die ZVEI-Mitgliederunternehmen jedoch vorsichtig optimistisch auf 2021, man erwarte ein Produktionswachstum von fünf Prozent gegenüber 2020 und sei mit einer Kapazitätsauslastung von 82 Prozent fast wieder beim Vorjahresniveau angekommen, so Kegel.
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