Reshoring verändert „Just-in-time“-Doktrin

Im Weihnachtsgeschäft werden Unterhaltungselektronik, Haushaltsgeräte und Spielzeug knapp. Experten befürchten, dass aus dem temporären Problem ein Dauerzustand wird. Erste Unternehmen reagieren, aber Rückzüge auf den eigenen Kontinent, das sogenante „Reshoring“, nützen nur bedingt.                                                                                                                          Von Dirk Mewis

Deutschland erlebt im zweiten Coronaherbst einen Zustand, den es so seit der Ölkrise der 1970er Jahre nicht mehr gab: Mangelwirtschaft. Die Pandemie hat Lieferketten bis zum Zerreißen gespannt, mitunter durchtrennt. Weltweit stauen sich Frachter vor geschlossenen Häfen, Containerraten steigen massiv und Vorprodukte und Rohstoffe wie Holz und Halbleiter werden knapp. Die Globalisierung, die einmal dafür sorgte, dass beinahe jedes Produkt an jedem Flecken dieser Erde in kürzester Zeit verfügbar ist, erweist sich als fragiles Konstrukt.

40 Milliarden Euro wird die Lieferkrise allein die deutsche Volkswirtschaft kosten, hat das Kieler Institut für Weltwirtschaft errechnet. Die gerade erst wieder angesprungene Konjunktur schwächt das erheblich. Die Herbstprognose der Bundesregierung wird deutlich geringer ausfallen als gedacht. Auch das Münchner ifo-Institut prognostiziert nur noch 2,5 statt 3,3 Prozent Wachstum für dieses Jahr. Eine weltweit durch staatliche Billionen-Rettungspakete angefeuerte Kauf- und Konsumlust trifft auf leere Lager. Gerade die schnelle Erholung der Konjunktur nach der Pandemie führt jetzt zu Lieferengpässen. Eine baldige Besserung ist nicht in Sicht, denn der „Nachfrageüberhang“, wie Experten es nennen, lässt nicht nach. Die Industrie hat daher kaum Gelegenheit, die verlorene Produktion aufzuholen und die Läger zu füllen.

In der Bauwirtschaft klagen mittlerweile 90 Prozent der Unternehmen über Materialmangel und in einer Umfrage des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks gaben drei Viertel der Mitgliedsbetriebe kürzlich an, Lieferprobleme zu haben. Beim Werkzeughersteller Würth ist die Wartedauer auf zehn Wochen angewachsen, Aldi muss Verkaufstermine für seine Aktionsware verschieben. 48 Prozent aller Mittelständler melden der KfW aktuell Engpässe bei Stahl, Holz oder Halbleitern. Auch Waschmaschinen, Spielekonsolen, Polstermöbel oder Turnschuhe sind teils monatelang nicht lieferbar. Und all das nur wenige Wochen vor Weihnachten. Die Frage, die sich daran knüpft ist: Ist das temporär, oder bleibt das so? Denn schon kleine Störungen reichen, um die fein ziselierte Logistik der „Just-in-time“-Doktrin zu zerreißen.

Hilft Reshoring den Lieferketten?

Die Ursachen der jüngsten Ausfälle sind vielfältig: Zur Havarie des Containerschiffs „Ever Given“ im Suezkanal kam die wochenlange coronabedingte Schließung von Häfen in China. Solche Schocks, die die globale Produktion beeinträchtigen, würden häufiger und gravierender, warnte die Beratungsfirma McKinsey in einer Studie vom August 2020. Zu den Auslösern zählen nicht nur Extremwetterereignisse, Pannen und Pandemien, sondern auch Handelskriege.

Dabei nützen die „Reshoring“ genannten Rückzüge auf den eigenen Kontinent nur bedingt. Das zeigt das Beispiel Miele. Die Gütersloher produzieren ihre Waschmaschinen, Trockner und Geschirrspüler größtenteils in Deutschland. Selbst die Platinen, die in den Geräten stecken, werden überwiegend vor Ort gefertigt. Aber die Kondensatoren darauf kommen aus Asien. In letzter Zeit musste die Produktion aufgrund der Pandemie angehalten werden, auch weil solche Vorprodukte in der ganzen Branche fehlen. Bis zu 16 Wochen müssen Kunden derzeit auf manche Waschmaschine warten, auf Geschirrspüler 12 bis 14 Wochen.

Solche Domino-Effekte sieht Klaus Wohlrabe, stellvertretender Leiter des Ifo-Zentrums für Makroökonomik, quer durch alle Branchen. Schon ein kleines, fehlendes Bauteil könne gravierende Folgen haben.

In der Industrie hat das Umdenken begonnen. Der CO₂-Ausstoß wird teurer, die Klimabilanz für Konzerne wichtiger. Allein die Verteuerung der Verschmutzungsrechte könnte dazu führen, dass für Unternehmen Lieferanten aus Europa wieder interessanter würden.

Der Modekonzern C&A beginnt jetzt, wieder Jeans in Mönchengladbach zu nähen. Bis vor einem Vierteljahrhundert fertigte das Familienunternehmen am heimischen Standort, dann sei man „den Weg gegangen, den die ganze Industrie ging“, erklärt Manager Uwe Gansfort: nach Polen, Rumänien, schließlich Bangladesch – die Distanzen wurden größer, die Löhne billiger, das ganze System komplexer und anfälliger. Jetzt heißt es: Reshoring. Der weg geht zurück in die Heimat. Die hochmoderne Produktion in Mönchengladbach, in der die Menschen nur noch den Maschinen assistieren ist C&As Blaupause für eine Produktion der Zukunft: kurze Lieferwege, automatisierte Abläufe, flexible Maschinen sollen „Made in Europe“ wieder möglich machen.

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