Transportwege verkürzen
Viele deutsche Firmen sehen laut einer DIHK-Umfrage die Zusammenarbeit Lieferanten aus China immer skeptischer, suchen nach Alternativen zur „Werkbank der Welt“ und setzten auf verkürzte Transportwege. Dadurch ergeben sich besondere Chancen für Lieferanten aus Osteuropa. Von Dirk Mewis
Die Materialengpässe treffen nach Angaben der deutschen Industrie den Welthandel immer stärker, und damit auch exportorientierte Firmen aus Deutschland. Mehr als die Hälfte von ihnen berichtet laut einer Umfrage von Problemen in Lieferketten und Logistik, erklärte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) zur aktuellen Studie unter 3200 deutschen Firmen im Ausland. Dies seien viel mehr als noch im Frühjahr. „Eine steigende weltweite Nachfrage trifft derzeit auf zu geringe Produktionskapazitäten und Transportprobleme“, erklärt DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier. Deshalb reagierten viele Firmen mit der Suche nach neuen Lieferanten oder wollten die Produktion verlagern.
Dies falle Mittelständlern schwerer als großen Konzernen. So beklagen rund 30 Prozent der Unternehmen fehlende Waren und Dienstleistungen, jedes fünfte Unternehmen leidet unter eigenen Produktionseinbußen etwa durch Krankheitsausfälle. Gründe für die Probleme seien etwa der Mangel an Containern und Frachtkapazitäten auf Schiffen sowie Produktionsausfälle. „Die Lieferkettenstörungen gehen aber auch auf gravierende handelspolitische Verwerfungen zurück, wie zum Beispiel auf Vorschriften des Zwangs zu lokaler Produktion“, fügt Treier hinzu. Dies gelte etwa für China, wo deutsche Firmen versuchten, den Wertschöpfungsanteil ihrer Waren mit Produkten vor Ort zu erhöhen. Dies wird für kleinere und mittlere Unternehmen zunehmend schwieriger, allerdings sei das Land und der Markt zu groß, als dass sie China leichten Herzens aufgeben könnten. Mittelständler würden deshalb erstmal vor allem andere asiatische Lieferanten suchen.
Osteuropa wird wieder attraktiver
Vom Trend, die Lieferketten zu diversifizieren oder die Transportwege zu verkürzen, profitiert jetzt auch Osteuropa. Denn so werden laut Treier Standorte wie die Ukraine und Serbien attraktiver. Dies gelte auch für die Türkei, wobei dort der Währungsverfall und das Thema Rechtssicherheit für Probleme sorgten. Rund 54 Prozent der Unternehmen planen deshalb, Lieferketten anzupassen oder haben dies bereits getan. Von diesen Firmen suchen fast drei Viertel neue oder zusätzliche Lieferanten, ein Drittel plant, die Lieferwege zu verkürzen oder zu verändern und rund 15 Prozent haben vor, die eigene Produktion zu verlagern. Besonders gravierend ist die Lage nach dem Brexit für deutsche Firmen in Großbritannien. „Hier müssen insgesamt 77 Prozent der Unternehmen ihre Lieferketten anpassen.“
In Deutschland sei eine „ziemlich eigenartige Diskussion“ in Gang gekommen, warnt gleichzeitig Gabriel Felbermayr, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW). Immer mehr Politiker forderten, die Bundesrepublik müsse unabhängiger vom Ausland werden und einen höheren Grad der Selbstversorgung erreichen, stellt Felbermayr fest. Wenn aber „die ganze Welt anfängt, nach der Logik zu handeln, dann wird Deutschland der größte Verlierer sein.“ Mittelfristig legten die Deutschen so die Axt an ihren eigenen Wohlstand, mahnt der Ökonom. Weltweit gebe es kein anderes Land, dass Jahr für Jahr einen ähnlich hohen Handelsbilanzüberschuss wie Deutschland erwirtschafte. Die wachsende Skepsis erinnere in Teilen „an die Europaskepsis im Vereinigten Königreich vor dem Brexit“. Dabei sei den Briten über Jahre erzählt worden, alles Böse komme aus Brüssel, so Felbermayr. „Irgendwann ist dann tatsächlich die Unterstützung für Europa erodiert. Die Globalisierungsdebatte in Deutschland verläuft ähnlich, sie wird ausgesprochen pauschal und mit ungenauen Argumenten geführt“, kritisiert Felbermayr.
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